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Foto: © Oliver Ott / RADIO fresh80s; Mit freundlicher Genehmigung von Oliver Ott

Friedel Geratsch - Oh, ein Geier singt!

Friedel Geratsch (Geier Sturzflug); Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Friedel Geratsch

 

Immer wieder gibt es Dinge, die es eigentlich gar nicht gibt. Und doch sind sie da. Wie z .B. ein singender Geier. Gibt's nicht? Gibt es wohl. Nun gut, ich gebe zu, ein echter Geier ist es nicht. Kein Raubvogel, der als Tier zu den Greifvögeln gehört. Oder vielleicht doch ein klein wenig? Der Geier, um den es hier geht, kann wirklich singen. Mit diesem Talent ausgestattet, kann es bei dem ein oder anderen Hörer seines Gesangs, durchaus zu einem "Raub" kommen. Gerade eben noch schlechte Laune gehabt? Oder hat die Dame Traurigkeit sich einen Platz direkt in deinem Leben, an diesem Tag bei dir gesucht? Nicht schön. Hast du durch Zufall Geier Sturzflug gehört? Und danach festgestellt, daß die schlechte Laune das Weite gesucht hat. Die Traurigkeit beruhigt war. Dann hat ein Geier dich beraubt. Sein Name Friedel Geratsch.

Zugegeben, das ist schon arg dick aufgetischt.

 

Wissenschaftlich ist schon lange bewiesen, daß Musik eine heilende Wirkung haben kann. Es kommt auf die Art der Musik an. Wie bei allen anderen Dingen auch. Es ist ja auch nicht das böse Internet (Schuld), sondern das Internet wird zu dem, was wir als Menschen daraus machen. Ein Ort des Miteinanders oder des Gegeneinanders. So auch in der Musik. Friedel Geratsch ist ein sehr guter, feinfühliger und intelligenter Texter. Er benutzt Worte und Sätze in einer Art und Weise, daß sie klar und deutlich formuliert sind. Jedoch niemals verletzend. Seine Sprache ist oft sehr bildhaft und nah am alltäglichen Leben. Lebendig. Ohne erhobenen Zeigefinger. Intelligenter Humor. Entzückende Traurigkeit. Gepaart mit einer gehörigen Portion Leidenschaft. Leidenschaft für das, was er da tut. Musik ist das, was ihn beflügelt. Musik ist das, was in ihm ist. Mit dieser Quelle ist er verbunden. Sie fließt. Und dann öffnet er den Mund und die Worte und Zeilen, bahnen sich ihren Weg in eine Stimme, die es versteht genau den richtigen Mix zu finden. Einfühlsam, gefühlvoll, abgeklärt, kopfschüttelnd oder auch einmal etwas lauter. Vom Wiedererkennungswert der Stimme ganz zu schweigen. In Friedel Geratsch's Stimme ist die Zeit irgendwie stehen geblieben. Nicht unbedingt vom Klangbild her. Aber jugendlicher, junggebliebener Charme ist immer noch zu hören.

 

Ob Friedel Geratsch bewußt ist, welche Emotionen er mit seinem Gesang auslösen kann, weiß ich nicht. Er ist ein bescheidener und ehrlicher Mensch. Bodenständig. Sympathisch. Er sagt es so, wie es für ihn ist. Benennt. Auch Kritik muß erlaubt sein. Am System. An dieser Welt. 

Seine Art zu singen ist wie seine Texte und wie seine Musik. Geerdet. Natürlich. Authentisch. Menschlich. Und Gefühl pur. Ein Sänger, der singt. Keine gekünstelten Bausteine, um noch mehr aufzutrumpfen. Nur Gesang. Und auch bei diesem macht Geratsch keinen Halt vor der Vielfalt.  Es kommt, was kommt. Passt. Zu lange ist er schon in diesem Geschäft, als das ihm da einer ein x vor dem u machen könnte. Er hat vielen "Möchtegern-Stars" einiges voraus. Talent, Begabung. Berufung, Erfahrung, Sehnsucht. Idealismus. Den braucht er, um durchzuhalten. Denn die Musikwelt ist schnelllebig und gefräßig. Hat ihre eigenen Kriterien, was sich gut verkauft oder eben nicht. Mit Qualität hat das nicht unbedingt zwangsläufig etwas zu tun. Es ist bei weitem nicht immer das gut, was kommerziell erfolgreich ist. Wie überall. Massentierhaltung zum Beispiel ist ein lukratives Geschäft, bei dem jedoch die Würde und der Tierschutz mit Füßen getreten werden. Aber es ist ein mehr als einträgliches Geschäft. Gut ist es dennoch nicht.

 

Und dann gibt es noch die Kisten voller Kreativität, aus denen er immer wieder für sich schöpfen kann. Das Leben flüstert ihm die Geschichten zu. Ob selbst erlebt oder beobachtet. Aus dem Unterbewußtsein nach oben gespült oder wo auch immer her die Inspirationen gerade ihren Weg zu ihm finden. Wenn es eine Geschichte ist, die erzählt werden möchte, wird Friedel Geratsch sie erzählen und zwar so, wie er sie erzählen möchte. Und wie er es für richtig hält.

 

"Käpt'n Blue Eye" ist so eine Geschichte, bei der der Regisseur namens Leben einen "Film des Lebens" geschrieben hat. Die "Rahmenhandlung": Ein Hund. Heimatlos. Friedel Geratsch und seine Frau. Dieser Hund, mit einem blauen Auge, hätte wohl keine Chance gehabt, wenn die beiden ihn nicht mitgenommen hätten. Doch das ist nicht das Ende der Story. Daraus ist ein wundervoller Song entstanden, der sich das Prädikat "Lieblingslied" schnell verdient. Der Erlös  aus den Verkäufen kommt dem Tierrefugium Hanau zugute, welches sich um herrenlose Tiere kümmert. Gesungen ist dieses Lied mit so viel Herzlichkeit und warmer Atmosphäre, daß man die Liebe in jeder Zelle des Daseins spürt.

 

Wie und wann weiß Friedel Geratsch wie ein Song klingen soll? Wie gesungen? Woran denkt er beim Singen? Denkt er überhaupt oder geschieht das einfach? Sind viele Versuche, Ansätze nötig? Wie entstehen die Worte, die Zeilen? Wie und warum formen sich bei ihm die bebilderten Sätze so, wie sie es tun?

 

Friedel Geratsch ist ein begnadeter Musiker/Künstler. Viele Menschen wissen nicht (mehr), daß es Geier Sturzflug noch gibt. Aber er ist noch da. Und seine Kreativität auch. Ohren auf! Herzen auf! Und weitererzählen. 

Friedel Geratsch würde wohl sagen: "In Wirklichkeit schreibe ich doch nur Lieder."

 

Kurz notiert:

Als ich 1983 erstmalig auf Geier Sturzflug aufmerksam wurde, war es die Stimme des mir bis dato unbekannten Frontmannes, die mich dazu veranlaßte, genauer zuzuhören. Dieses leicht rauchige Kratzen in Verbindung mit der herzlichen Authentizität, hatte meine Neugier geweckt und mein musikbegeistertes Herz schneller schlagen lassen. Für mich war sofort klar, daß das erst der Anfang sein würde. Und kein kurzer Sturzflug... Diese Musik würde mich irgendwie weiter begleiten. Egal ob hunderttausende von Platten über den Ladentisch gehen oder nur hundert. Irgendwie war es wie ein nach Hause kommen.

 

Zum "Käpt'n Blue Eye" Mp3 Amazon-Download

(Friedel Geratsch's gesamte Einnahmen aus diesem Song gehen ans Tierrefugium Hanau).

 

 

Ein herzliches Dankeschön an Wolfgang Hofer, der mit seinen Anmerkungen diesen Artikel "abgerundet" hat.

 

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© Daniela Herbig