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Foto: © RADIO fresh80s; Mit freundlicher Genehmigung von Oliver Ott; www.fresh80s.de

RADIO fresh80s: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Erinnerung

 

Wieso kann ich eigentlich an der Musik im Radio erkennen, wieviel Uhr es gerade ist? Den Titel kenne ich. Der lief gestern exakt zur gleichen Zeit auch schon. Die anderen Titel habe ich gestern ebenfalls gehört. Fast alle, die gespielt worden sind, habe ich auch in der letzten Woche in fast der Reihenfolge gehört. Vorgestern? Jawohl Vorgestern. Na, können wir bei Vor-Vorgestern immer noch mithalten? Eine spielerische Leichtigkeit. Eigentlich ist es total egal, wann ich das Radio einschalte. Ich hänge immer in derselben Musik-Schleife. Jeden Tag zur gleichen Zeit laufen tagein, tagaus die gleichen Titel. Und täglich grüßt (mich) das Murmeltier. Ich überlege, ob ich vielleicht in einem Zeitfenster festhänge und irgendeine Situation zum x-ten Mal erleben muß, um sie dann besser zu machen? Moment. Ich stecke nicht fest, aber einige Radio-Stationen ersparen sich wohl scheinbar die Arbeit des Erstellens einer Playlist. Einer, nennen wir es 'mal flexibleren Rotation. Kann man vom Radio-Hören einen Burn-Out bekommen? Und wie erkläre ich dieses vielleicht einzigartige Pänomen meinem Hausarzt? Ständig dudeln die ewig gleichen "Oldies but Goldies" über den Äther. Siebziger, Achtziger, Neunziger. Und wieder von vorn. Alarmsignal, mein Radio pennt.

 

Strenggenommen gibt es Vergangenheit, Gegenwart und Zunkunft eigentlich gar nicht. Alles geschieht im Jetzt. Selbst die Vergangenheit. Ein Gedanke kann mich für Zehntelsekunden in die Vergangenheit zurückversetzen. Plötzlich fühlt es sich genauso an wie damals. Oder ich denke an Morgen oder den nächsten Urlaub. Schon bin ich in der Zukunft unterwegs. Wenn auch nur gedanklich. Einige Radio-Macher konservieren jedoch ihr Programm geradezu akribisch. Bloß keine Abweichungen der "Playlisten-Alltags-und-Immer-Wieder-Rauf-Und-Runter-Routine". Reduziert auf Monotonie. Vielleicht steckt hinter dieser Gewissenhaftigkeit aber auch nur die Sorge der einzelnen Sender ihre Hörer nicht zu sehr zu erschrecken. Oder gar zu wecken? Ab und an gibt es ein paar Einstreuungen der aktuellen Hits. Aha, wir schreiben also doch bereits das Jahr 2015. Irgendwie stellt sich bei mir eine Müdigkeit und Abneigung gegen ein Jahrzehnt ein, in dem ich als Teenie anfing Musik für mich zu entdecken und Pferdepostkarten-Sammeln nicht mehr die höchste Priorität hatte. Ja, die Achtziger. Vokuhila-Frisuren, Haarspray, Haarspray und noch einmal Haarspray im Einklang mit einer gewissen Unbekümmertheit. Zwei Möglichkeiten winken mir zu und erbitten ihre Aufmerksamkeit: Mal die alte Plattensammlung ausgraben und schauen welche längst vergessenen Schätze und "das habe ich gut gefunden, das war ich nicht", sich auffinden lassen. Oder: Sich auf die Suche nach dem verlorenen Radio-Sender in einer Wüste aus unzähligen beliebigen Achtziger-Stationen zu begeben, der nicht immer den gleichen "Ich-weiß-schon-was-jetzt-kommt-Rhythmus" als Programmauftrag begreift. Variante zwei hörte sich vielversprechend an.

 

Wirklich fündig bin ich nicht geworden. Auf der Straße der dicht an dicht liegenden Frequenzen. Doch das Universum schien meine Rufe erhört zu haben und führte mich dahin, wo ich von allein nicht hingegangen wär'. Zum Computer. In die Weiten der Galaxien des Netzes. Auch Internet genannt. Hier sollte ich das finden, wonach ich suche? Klänge, die ich schon seit gefühlten 30 Jahren nicht mehr gehört hatte, drangen nun an meine Gehörgänge und versetzten mich in sofortiges Entzücken. "Sally" von Carmel. 1984. Ein "Spring-Um-Den-Tisch-Lied". Und genau das tat ich. Durch die Wohnung tanzen und sich mit der Energie dieses Songs verbinden. Doch das war erst der Anfang. Titel für Titel reiste ich nun in meine eigene Vergangenheit. 1982 als Nena mit "Nur geträumt" auf dem Fernsehbildschirm auftauchte und die ganze Nation, mich eingeschlossen, sofort "Feuer und Flamme" war. Na ja "Feuer und Flamme" kam dann später 1985 als Single. Bei den meisten nahm das "Nena-Fieber" zu der Zeit aber wieder langsam ab und die hochgekochten Temperaturen, sanken so nach und nach auf den Gefrierpunkt. Künstler, die mich bis in die heutige Zeit musikalisch begleiten, habe ich in den Achtzigern für mich entdeckt. Mit "Geier Sturzflug" kam in Form des Frontmannes und Sängers Friedel Geratsch eine männliche Nena-Variante daher. Frisurentechnisch. Hält man Bilder von Nena und Friedel Geratsch aus der Zeit nebeneinander, könnte man meinen die beiden hätten exakt den gleichen Friseur gehabt. Aber den hatten zu der Zeit wohl eigentlich alle. "Geier Sturzflug" kämpfte bei mir mit Nena um den ersten Platz. Und mein Plattenspieler um Gnade. "Bruttosozialprodukt", die B-Seite "Früher oder später" war die meistgehörte Single von mir. Fast. Mein Vater fragte mich, ob diese Platte nicht auch eine B-Seite hätte. Das Lied sei ja toll, aber nach zwanzig Wiederholungen könnte man ja 'mal was anderes hören. Er hatte wohl nicht mitbekommen, daß "Früher oder später" ja bereits die B-Seite war. Eltern halt. Getoppt wurde mein "Eltern-Vor-Unlösbare-Aufgaben-Stellen-Programm" nur noch von der zweiten "Geier Sturzflug"-Single "Besuchen sie Europa (solange es noch steht)". Zwanzig Wiederholungen waren in diesem Fall geradezu lächerlich.

 

Eine Truppe aus Österreich weckte mit lustigen Kostümen und einem völlig eigenen Gesangs-Stil meine Aufmerksamkeit. Doch, man kann das Gesang nennen. Sie waren sich sicher: "...die Zukunft ist der Alpenrap...." "Erste Allgemeine Verunsicherung", heute auch gerne einmal kurz EAV genannt. 1985/86 war der "Stotter-Gesang" der EAV salonfähig. "...Ba-Ba-Banküberfall und Ma-Ma-Märchenprinz..." Kim Wilde, Sandra, Reinhard Fendrich, Falco, Depeche Mode, Heinz-Rudolf Kunze, Jennifer Rush, Cosa Rosa, Rio Reiser, A-ha etc. und natürlich auch die drei Lieblings-Künstler: Geier Sturzflug, Nena und die Erste Allgemeine Verunsicherung. Sie alle begegneten mir wieder. Hier und Jetzt! Der Sender, den ich gefunden hatte, betitelte sich selbst als "Spartensender" und trug den passenden Namen "RADIO fresh80s". Der Name begeisterte mich. Und war mehr als passend. So frisch wurden mir die Achtziger bisher noch nicht präsentiert. Viele Remixe, noch nie gehörte seltene Versionen und Klassiker und absolute Raritäten tummelten sich in dem Programm. Zwischendurch garnierten sehr kreativ gemachte und gut produzierte Jingles, gesprochen von einer geradezu dafür prädestinierten Stimme, die Übergänge zur vollen Stunde und zwischendurch. Radio-Jingles können nerven. Zu viel, zu aufdringlich. Hier stimmte jedoch die Dosierung und die Machart.

War man früher mit dem Problem konfrontiert immer wieder zum Plattenspieler laufen zu müssen, um die Platte umzudrehen so sah ich mich momentan eher in der ausweglosen Lage, daß ich vom Radio nicht wegkam. Aus Sorge den nächsten tollen Song zu verpassen, den ich schon länger nicht mehr gehört hatte. Ein tolles und unangenehmes Gefühl zugleich. Vorsicht: Hier besteht "Suchtgefahr".

 

Foto: © RADIO fresh80s; Mit freundlicher Genehmigung von Oliver Ott

 

Meine Katze "Lilly" stand mir noch wohlgesonnen gegenüber und versuchte mir freundlich aber unmißverständlich klarzumachen, daß ihr Futternapf leer sei und der Hungertod nicht weit von ihr entfernt. Ich wollte mich nicht der Vernachlässigung meiner Tier-Aufsichtspflicht schuldig machen, aber ich kam nicht wirklich weg. Spaß am Radio hören hatte ich schon länger nicht mehr gehabt. Insbesondere, wenn es sich um das "Vokuhila-Jahrzehnt" handelte. Fenster auf, Radio lauter und weiter tanzen. "RADIO fresh80s - rauscht nicht, aber knistert schön". Da "Lilly" eine sehr schlaue Katzen-Dame ist, lief sie mir nun direkt zwischen den Füßen herum, schmiß sich einfach auf den Boden hin und unterwanderte meine tänzerischen Ausflüge in geschickter Manier. Da die Musik leider nicht schlechter wurde (dass ich mir das noch einmal wünschen würde, hätte ich selbst nie für möglich gehalten), nahm ich meine kluge Katzen-Dame einfach auf den Arm und tanzte mit ihr gemeinsam zu "Beethoven (I love to listen)" von den Eurythmics. Und danach rettete ich sie heldenhaft vor dem sicheren Hungertod, der sich bei Katzen beim Erblicken eines leeren Futternapfes grundsätzlich sofort einzustellen versucht.

 

Seit diesem Tag höre ich immer wieder sehr gerne diesen Sender mit dem wohlklingenden Namen und der etwas anderen Musik-Präsentation der Achtziger. Wenn ich Musik aus diesem Jahrzehnt hören möchte. Ein liebevoll gestaltetes und sehr gut gemachtes Programm. Hochprofessionell und eben alles andere als beliebig. Ein Web-Radio, welches viele sogenannten "großen Sender" mit Leichtigkeit musikmäßig an die Wand spielen könnte. Oder um es mit einer abgewandelten Textzeile von Ina Deter zu beschreiben: "Ich sprüh's auf jede Wand, neues Radio braucht das Land..." Bei RADIO fresh80s spürt man die Leidenschaft für das Besondere.

 

Alles ist immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Dem einen gefällt dies, dem anderen das. Vielfalt macht das Leben bunt. Denn das Leben ist voller Farbe und nicht schwarz-weiß. RADIO fresh80s ist für mich ein klares "Must-Have" im Bereich Radio. Qualität setzt sich eben durch. Seit 2007 sind die Betreiber unermüdlich im Einsatz für Hits, Raritäten und das gewisse Etwas aus den Achtzigern. Und es gelingt ihnen immer wieder auf's Neue dieses bunte und schillernde Jahrzehnt in die Jetzt-Zeit facettenreich und informativ zu transportieren.

 

Einschalten lohnt sich auf jeden Fall, wenn man keine Lust auf Achtziger-Dudelfunk hat. Doch geschieht dies "auf eigene Gefahr". Denn zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Erinnerung. Sie werden überrascht sein... Übrigens, welche Uhrzeit haben wir gerade? Welcher Tag? Mmh...ich muß wohl auf dem Kalender nachschauen, denn die Titelreihenfolge der Playlist ist eine andere als gestern. Also Sachen gibt's...

 

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© Daniela Herbig