In unregelmäßigen Abständen widme ich mich hier einzelnen Songs oder ganzen Alben von Geier Sturzflug.
2009 ist ein Album von Geier Sturzflug erschienen, welches jeden klassischen "Nur-Den-Geier-Hits-Kenner" mit großer Wahrscheinlichkeit rat- und sprachlos zurückgelassen hat. Sofern er es denn mitbekommen hat. Das Erscheinen dieses Gesamtkunstwerks. Typisch Geier Sturzflug ist es bei weitem nicht. Aber was ist überhaupt typisch Geier Sturzflug? Typisch Geier Sturzflug existiert eigentlich nur im Kopf. In festgefahrenen Überzeugungen. In einer Erwartungshaltung, die hier zwangsläufig zu einer Enttäuschung führen muß. Jedenfalls, wenn man es mit einem Künstler zu tun hat, der mit einer musikalischen Spannbreite arbeitet, die sich nicht in einen einzigen Schubladen-Käfig einsortieren läßt. Wobei auch das ein oder andere Kästchen einer Schublade so seine Vorteile hat. Einmal einsortiert, findet man es immer am gleichen Platz wieder.
"Hör auf zu weinen" als Album-Titel kündigt schon eine andere Atmosphäre an. Genau wie das sehr minimalistisch gehaltene Cover. In gut 37 Minuten Gesamtspielzeit wird der Hörer auf eine Reise der kleinen und großen Gefühle mitgenommen. Verpackt in wunderbar erzählten Geschichten, die ein Lächeln der Freude in jedes Herz zaubern. Friedel Geratsch singt und "spricht" beim Singen. Pointiert. Mit einer Warmherzigkeit, die selbst bei melancholischen Zeilen wie: "...manchmal bin ich glücklich und dann muß ich durch den Regen gehen, vielleicht kannst du mein Lächeln durch die Wolken sehen..." einen Mantel der Geborgenheit umlegt.
"...die Straßen der Gefühle sind im Stadtplan nicht genannt. Ich taste mich im Dunkeln immer linksrum an der Wand, vielleicht ist der Sekundenschlaf zum Träumen auch zu lang und deshalb schlägt der Wecker an..." Auszug aus "Träumen". Diese wunderbaren Zeilen machen zum wiederholten Male deutlich, daß Friedel Geratsch einer der besten Songschreiber ist, die es in Deutschland gibt.
Wer auf temporeiche Nummern wartet, wird auf diesem, eher leisen Album, nicht fündig werden. Einzig "Shalala" bricht ein klein wenig aus und kommt powergeladener und rockiger daher. Ohrwurmpotenzial garantiert.
"Kurze Hemden" ist ein Song, der sowohl musikalisch als auch textlich begeistert. "...kurze Hemden rutschen immer aus der Hose, ich glaube nicht, daß das mit uns was wird. Manchmal ist es eben Quatsch mit Soße, weil es einfach nicht funktioniert..." Tja, wer kennt das nicht? Erst ist man Feuer und Flamme und plötzlich kam die Feuerwehr mit einem Löschtrupp und nichts funktioniert mehr. Feuer gelöscht. Flamme erstickt.
Textlich zeichnen sich laut Booklet Friedel Geratsch und Carlo von Steinfurt u.a. für diesen Song verantwortlich. Eine mehr als geglückte Symbiose, die auch bei den Titeln "Mein kleines Herz" und "Und die Zeit vergeht" gelungen ist.
Lückenfüller gibt es bei diesem Album nicht. Alle Songs sind stimmig und hinterlassen ein Gefühl des "Immer-Wieder-Hören-Wollens". Gerade, weil es so anders ist. Vielleicht hätte das Album unter dem Namen "Friedel Geratsch" erscheinen sollen. Weil es für einige Geier Sturzflug-Fans zu ungewöhnlich ist. Aber es ist unter Geier Sturzflug erschienen und ein kleiner silberner CD-Schatz. Ein Album, welches leicht und beschwingt daherkommt und bei genauerem Hinhören auch Tiefe und Weisheit raushören läßt.
Ist Friedel Geratsch nur ein Sänger, der singt? Ein Texter, der schreibt? Ein Musiker, der komponiert? "...hör auf zu weinen und leg' deine Hand in meine. Ich muß dir was sagen und du änderst deine Meinung..."